Rechtliche Hilfe bei Schäden durch Smart-Home-Systeme
Was ist zu tun, wenn durch Smart-Home-Geräte Schäden entstehen? Julian Pehm vom Institut für Europäisches Schadenersatzrecht der Österreichischen Akademie der Wissenschaften beantwortet im Interview Fragen rund um rechtliche Aspekte im Schadensfall.
Smart-Home-Systeme sollen den Alltag in den eigenen vier Wänden sicherer, effizienter und komfortabler machen. Was passiert aber, wenn durch Smart-Home-Geräte Schäden verursacht werden? Der Rechtsexperte Julian Pehm vom Institut für Europäisches Schadenersatzrecht (Österreichische Akademie der Wissenschaften und Universität Graz) erklärt im Interview, welche rechtlichen Möglichkeiten Anwenderinnen und Anwender im Schadensfall haben, wieso die Verantwortlichen bei Schäden durch Smart-Home-Komponenten nicht immer leicht auszumachen sind und wo er aktuell Verbesserungspotenzial in der Gesetzgebung sieht.
Worauf müssen Anwenderinnen und Anwender bei der Verwendung von Smart-Home-Systemen achten?
Julian Pehm: Mein Rat wäre, sich vorab gut zu überlegen, welche Vorteile man sich von Smart-Home-Produkten erwartet, und sich auch mit der Frage zu beschäftigen, welche Risiken mit deren Verwendung verbunden sind. Damit meine ich weniger Haftungsrisiken als etwa die Auswirkungen auf die Privatsphäre und die Sicherheit von Daten oder auch die höhere Fehleranfälligkeit, die mit der Digitalisierung des Haushalts in der Regel einhergeht.
Hinweis
Welche praktischen Anwendungen das Smart Home ermöglicht sowie grundlegende Informationen hierzu finden Sie auch im Beitrag „Smart-Home-Systeme für die Familie: Anwendungen und Sicherheit“.
Welche Möglichkeiten haben Anwenderinnen und Anwender, wenn Schäden durch Smart-Home-Geräte im eigenen Zuhause entstehen?
Pehm: Idealerweise sollte es natürlich gar nicht erst so weit kommen. Vielleicht ist es überraschend, dass gerade das Schadenersatzrecht dabei helfen kann, Schäden zu vermeiden. Ein gutes Haftungsrecht ist beinahe „unsichtbar“, nämlich indem es die richtigen Anreize setzt, sichere Produkte zu entwickeln, und unsichere aus dem Markt drängt. Natürlich ist kein Smart-Home-Produkt zu 100 Prozent sicher. Wenn es zu Schäden kommt, sollte das Schadenersatzrecht Geschädigte dabei unterstützen, Ersatz für ihre Schäden zu erhalten.
Wer haftet für Schäden, die durch Smart-Home-Geräte entstehen?
Pehm: Eine pauschale Antwort lässt sich nicht geben. Das Haftungsrecht ist keine starre Regel. Es ist eher als System zu begreifen, das verschiedene Voraussetzungen und Kriterien definiert, wie Verantwortlichkeiten verteilt werden. Im Fall von Smart-Home-Geräten kommen verschiedene Haftpflichtige in Betracht: Hersteller, Softwareanbieter, Installationsprofessionistinnen und -professionisten und etliche weitere. Auch die Anwenderinnen und Anwender selbst können verantwortlich sein. Gerade bei Smart-Home-Produkten ist das Feld sehr breit, weil oft viele Komponenten von unterschiedlichen Herstellern zusammenwirken. Das bedeutet gleichzeitig, dass es für Geschädigte schwierig sein kann, gezielt auszumachen, wer die Verantwortung für einen Schaden trägt.
Wer haftet beispielsweise, wenn ein technischer Defekt bei einer Smart-Home-Komponente zu Haushaltsschäden, wie einem Wasserschaden, führt, etwa weil der intelligente Wassermelder keinen Alarm ausgelöst hat?
Pehm: Die größte Rolle in diesem Bereich spielt sicherlich die Produkthaftung. Der Hersteller muss für Fehler seiner Produkte einstehen. Dies umfasst Konstruktions- und Produktionsfehler, aber auch Instruktionsfehler – also etwa falsche oder unvollständige Installationsanleitungen. Der Nachweis ist allerdings nicht immer einfach zu erbringen. Die nach wie vor häufigste Schadensursache sind aber Anwendungsfehler, für die Konsumentinnen und Konsumenten selbst einstehen müssen. Das Beispiel des Wasserschadens zeigt, dass nicht nur eigene Güter betroffen sein können. Konsumentinnen und Konsumenten können auch selbst schadenersatzpflichtig werden, etwa für die Schäden, die sie ihren Nachbarn verursachen.
Welche Haftungsregelungen gelten bei unbefugten Zugriffen auf Smart-Home-Geräte? Wer haftet etwa, wenn die smarte Videoüberwachung gehackt wurde und dadurch ein Einbruch in Abwesenheit der Bewohnerinnen und Bewohner begangen werden konnte?
Pehm: Eine Haftung ist hier theoretisch möglich, aber nicht sehr wahrscheinlich. Wenn eine Hackerin oder ein Hacker einen Schaden anrichtet, wäre sie oder er selbstverständlich haftbar. Leider sind diese Personen oft nicht greifbar und Geschädigte haben keine Chance auf Schadenersatz. Anders verhält es sich nur, wenn das Smart-Home-Gerät aufgrund von Sicherheitsmängeln gehackt werden konnte. Dann kann den Hersteller eine Haftung treffen. Häufig haben es Hackerinnen und Hacker aber gar nicht auf das Gerät selbst, sondern nur auf die gespeicherten Daten abgesehen. Internetfähige Geräte werden mitunter auch zu sogenannten Bot-Netzen zusammengeschlossen und für Angriffe auf Dritte instrumentalisiert. Konsumentinnen und Konsumenten droht in solchen Fällen übrigens keine Haftung.
Welche Schritte müssen im Schadensfall unternommen werden, und wo können sich Betroffene über rechtliche Rahmenbedingungen informieren?
Pehm: Verfügt man über eine Haushaltsversicherung, ist es ratsam, den Schaden sofort zu melden. Nicht in jedem Fall ist der Schaden jedoch gedeckt. Um zu klären, ob es in einem konkreten Fall Grundlagen für eine Haftung gibt, ist es vernünftig, sich an eine Verbraucherschutzorganisation zu wenden. Diese kann mit Auskunft und Rat zur Seite stehen. Sollte es wirklich so weit kommen, dass man seinen Anspruch in einem Gerichtsverfahren durchsetzen muss, benötigt man in den meisten Fällen einen professionellen Rechtsbeistand, also eine Anwältin oder einen Anwalt.
Hinweis
Grundlegende Informationen zum Thema intelligentes Wohnen finden Sie auch hier: „Die häufigsten Fragen von Anwenderinnen und Anwender zum Thema ‚Smart Home‘“.
Was sind die zentralen Knackpunkte für die Klärung von Schadensfällen bei der Nutzung von Smart-Home-Systemen? Ist beispielsweise immer klar, wer als Verursacher von Schäden verantwortlich ist?
Pehm: Viele Schadensfälle lassen sich bereits mit den bisherigen Haftungsregeln lösen, sie bieten ein gutes Grundgerüst. Es gibt aber einige Bereiche, in denen es noch Verbesserungspotenzial gibt. Dazu zählen Softwareupdates, die von der Produkthaftungsrichtlinie derzeit nur unzureichend umfasst werden, und Cloudsoftware, die derzeit wohl gar nicht umfasst wird. Auch die Nachvollziehbarkeit von Schäden ist ein wichtiges Thema. Die teils komplexen Umgebungen und der Einsatz von künstlicher Intelligenz machen es Geschädigten nicht immer leicht, die Ursache von Funktionsstörungen zu lokalisieren. Diesbezüglich sollte schon beim Design der Smart-Home-Produkte angesetzt werden. Ist ihre Funktionsweise intransparent und fehlen Aufzeichnungen über die technischen Abläufe, könnten Beweiserleichterungen vorgesehen werden. Nicht Anwenderinnen und Anwender, sondern Hersteller, die einen viel besseren Einblick in die Funktionsweise der Smart-Home-Systeme haben, sollen für die Nachweisbarkeit verantwortlich sein. Die EU-Kommission hat diese Punkte größtenteils aber bereits auf dem Radar und arbeitet an einer Reform.
Tipp
Intelligente Wohnsysteme können auch wesentlich zur Sicherheit gegenüber Einbrüchen beitragen. Erfahren Sie mehr in den Beiträgen „Mit Smart Devices gegen Einbruch: Sicher im Smart Home“ und „Smarte Videoüberwachung: Anwendungen, Sicherheitsaspekte und Datenschutz“.
Für den Inhalt verantwortlich: A-SIT Zentrum für sichere Informationstechnologie – Austria