Prävention gegen Cybergrooming: Wie kann ich mein Kind am besten schützen?

Wenn Personen Kinder oder Jugendliche im Internet kontaktieren, um an Nacktfotos oder -videos zu kommen, spricht man von Cybergrooming. Manchmal drängen die Täter auch auf reale Treffen. Welche Strategien sie verfolgen und wie Sie Ihre Kinder schützen können, erfahren Sie hier.

Mutter sitzt neben Mädchen mit Tablet auf einem Sofa.
Präventiv gegen Cybergrooming.  Foto Adobe Stock

Wer ist der vermeintliche Freund im Online-Multiplayer-Game, der plötzlich sagt: „Wenn du willst, dass ich dein Freund bin, musst du mir ein Video von dir schicken.“? Oder der mysteriöse Verehrer auf Instagram, der schreibt: „Du bist so hübsch, warum schickst du mir nicht noch ein Foto von dir im Bikini?“? Immer häufiger berichten Medien über derartige Fälle von Cybergrooming. Gerade Jugendliche tauschen häufig freizügige Inhalte untereinander aus, wenn sie ihre Sexualität erkunden. Wenn sich aber Erwachsene das Vertrauen von Kindern erschleichen, um an Fotos oder Videos von ihnen zu gelangen, ist das in Österreich seit 2016 strafbar. Manchmal reichen den Tätern Fotos und Videos nicht und sie versuchen, ihre Opfer zu Treffen im realen Leben zu überreden. Viele Eltern haben daher die berechtigte Sorge, der neue Online-Freund des Kindes könnte zweifelhafte Absichten haben. Wie können Eltern ihre Kinder am besten schützen?

Snapchat und Instagram: Wo sind die Täter unterwegs und wie gehen sie vor? 

Die Absicht der Täter ist nicht immer dieselbe. So kann die Beschaffung von Aufnahmen von Kindern und Jugendlichen entweder der eigenen sexuellen Befriedigung dienen oder auch finanzielle Hintergründe haben. Die Täter seien vorwiegend Männer, vermutet Barbara Buchegger, Expertin für Cybergrooming von saferinternet.at.

Cybergroomer gehen häufig sehr routiniert vor. Viele führen genauestens Buch über die Reaktionen der Kinder, etwa wie eine bestimmte Geschichte aufgenommen wurde, die sie einem Kind erzählt haben. Bei der Kontaktanbahnung verfolgen die Täter verschiedene Strategien. Manche bevorzugen eine sehr behutsame Kontaktaufnahme, bei der zunächst Vertrauen aufgebaut werden soll. Andere Täter verheimlichen ihre Absichten nicht. Dass sie damit manchmal – gerade bei Mädchen – Erfolg haben, verdankt sich einem bestimmten Phänomen: Pubertierende Mädchen befänden sich in einer Entwicklungsphase, in der sie generell neugierig auf Sexualität seien, so die Expertin.

Heute gebe es keine Social-Media-Plattform mehr, auf der Cybergrooming ausgeschlossen werden könne, sagt Buchegger. Überall dort, wo Kinder und Jugendliche unterwegs sind, ist ein Kontakt mit Tätern möglich. Die Annäherung kann über Instagram, TikTok, Snapchat, Discord oder Multiplayer-Online-Games wie Roblox stattfinden. Nicht immer werden solche Versuche auch bemerkt, weiß Buchegger: „Gespräche mit Jugendlichen aus unserem Umfeld zeigten, dass es bei Instagram vor zwei Jahren eine so große Anfragen-Welle gab, dass mehr als die Hälfte der kontaktierten Jugendlichen gar nicht mehr auf die Anfragen reagierte.“ Generell sei Ignorieren eine übliche Vorgehensweise der Betroffenen.

2018 wurde im Auftrag von SOS-Kinderdorf Österreich eine Studie über sexuelle Belästigung von Kindern und Jugendlichen im Internet durchgeführt. Sie ergab, dass ein Viertel der Befragten bereits mit unangemessenen Anfragen in Social Media konfrontiert wurde. 20 Prozent haben schon Nacktfotos oder -videos erhalten, die sie nicht sehen wollten. Jedes zehnte Mädchen verschickte bereits selbst solche Fotos oder Videos. Am häufigsten wurden die Kinder und Jugendlichen über WhatsApp, Snapchat und Instagram von den Tätern kontaktiert.  

Hinweis

Lesen Sie für weiterführende Informationen auch den Beitrag „Jugendliche auf Social Media – Trends, Risiken und Tipps für Eltern“.

Wie reagieren Social-Media-Plattformen auf Cybergrooming?

Die Plattform-Betreiber nehmen das Thema zunehmend ernst. Besonders strenge Regeln gelten auf TikTok. Dort ist der Versand von Direktnachrichten und das Hosting von Livestreams erst ab 16 Jahren gestattet. Virtuelle Geschenke dürfen erst ab 18 empfangen werden. Auch Instagram bemüht sich um mehr Schutz von Kindern und Jugendlichen. Erwachsene können dort keine Nutzerinnen und Nutzer unter 18 Jahren kontaktieren – es sei denn, die Jugendlichen folgen ihnen bereits. Die Mitgliedschaft bei Instagram ist offiziell erst ab 13 Jahren erlaubt. Diese Beschränkung sei aber nur wirkungsvoll, wenn Kinder und Jugendliche auch das richtige Alter angeben würden, sagt Buchegger.

Prävention: Wie können Eltern ihre Kinder vor Cybergrooming schützen? 

Manche Gruppen von Kindern und Jugendlichen könnten häufiger Opfer von Cybergrooming werden als andere, vermutet Barbara Buchegger. Etwa solche, die wenig Bestätigung von Erwachsenen bekommen oder sich allein fühlen. Aber auch andere können betroffen sein. Die soziale Herkunft spiele dabei keine Rolle, sagt die Expertin. Eher würden die Täter die Einsamkeit der jungen Menschen oder deren Sehnsucht nach Zuneigung ausnutzen. Ein gutes soziales Netz und eine offene Kommunikation mit den Eltern oder anderen Vertrauenspersonen wirken hingegen schützend. 

Internet- oder Social-Media-Verbote aus Sorge vor sexuellen Übergriffen hält die Expertin jedoch für wenig sinnvoll: „Die eigene Angst ist ein schlechter Begleiter, denn die Kinder bemerken sie und wenden sich dann vielleicht auch in wirklich kritischen Fällen nicht an die Eltern.“ Stattdessen sollten Eltern ihren Kindern Unterstützung anbieten. Gemeinsam könnten sie zum Beispiel üben, wie man eine Online-Bekanntschaft überprüft.  

Gerade für Kinder ab zwölf Jahren seien Online-Freunde eine wertvolle Ressource, betont Buchegger. Es sei wichtig, dass Eltern diese Tatsache erkennen. Älteren Jugendlichen sollte zudem auch ein gewisses Maß an Selbstbestimmung zugestanden werden, rät die Expertin: „Wenn sich 14-jährige Mädchen online riskant verhalten, tun sie das auch, um ihre eigene Sexualität zu erkunden. Dieses Gefühl von Unverwundbarkeit darf man ihnen nicht zu früh wegnehmen.“ Deswegen hätten auch Kontaktverbote wenig Sinn, findet Buchegger.

Entscheidend sei vor allem eine offene Kommunikation. Dabei müssten nicht immer die Eltern die ersten Ansprechpersonen sein. Diese Rolle könne auch von Onkeln, Tanten oder Vertrauenslehrern übernommen werden. Buchegger rät Eltern: „Wenn ich merke, dass mich das Thema zu viel belastet oder überfordert, sollte ich es an ein anderes Familienmitglied delegieren.“ 

Zur Polizei sollten Eltern dann gehen, wenn es konkrete Hinweise auf Cybergrooming gibt. Wichtig ist dabei die Dokumentation, zum Beispiel in Form von Screenshots. Gerade bei der Plattform Snapchat besteht das Problem, dass die Nachrichten schnell wieder verschwinden. Daher sollten Sie rasch handeln, wenn Sie einen konkreten Verdacht haben.  

Hinweis

Weitere Informationen finden Eltern und Bezugspersonen auch im BKA-Informationsblatt „Schutz vor (Cyber-)Grooming“.

Welche Kinder sind durch Cybergrooming gefährdet? (Infos von www.saferinternet.at) 

Cybergrooming kann Mädchen und Burschen gleichermaßen betreffen. Während noch vor einigen Jahren vor allem Teenager zu Opfern wurden, können heute auch schon Volksschülerinnen und Volksschüler gefährdet sein. Bestimmte Risikofaktoren können Grooming begünstigen, sie müssen aber nicht zwangsläufig dazu führen:

  • Kinder suchen erwachsene Vertrauenspersonen
    Kinder erleben es anfangs als bestärkend, wenn Unbekannte sie hübsch, toll und attraktiv finden. Dies ist vor allem dann der Fall, wenn die Betroffenen in ihrem Umfeld kaum positive Erfahrungen machen: Schwierigkeiten in der Schule, keine engen Freundinnen und Freunde, dicke Luft oder wenig Zuneigung im Elternhaus. Auch Kinder, deren Eltern oft abwesend sind (sowohl physisch als auch geistig), können betroffen sein. 
  • Kinder ohne Online-Erfahrung
    Verwehren Eltern ihren Kindern aus wohlgemeinter Vorsicht den Zugang zu Internet und Handy, fehlt diesen später die Erfahrung im Umgang mit heiklen Online-Situationen. Werden sie etwa von einem potenziellen Täter kontaktiert, haben sie oft keine passende Strategie parat, um diesen zu enttarnen – sie wissen sich schlicht und einfach nicht zu helfen. 
  • Kinder ohne Problembewusstsein
    Manchmal fehlt Kindern das natürliche Bauchgefühl, um Situationen im Internet als „komisch“ zu bewerten („Hier stimmt etwas nicht!“). Besonders wenn der Täter mit einer Belohnung für ein Nacktfoto lockt, werden oft nur die subjektiven Vorteile gesehen. Umso wichtiger ist es, mit Kindern schon im Vorfeld über Cybergrooming zu sprechen und ihr Problembewusstsein zu schärfen. 

Wie kann ich mein Kind vor Cybergrooming schützen? 

  • Vertrauen fördern
    Interessieren Sie sich für die Lebenswelt Ihres Kindes – online wie offline – und reden Sie gemeinsam darüber! Signalisieren Sie Ihrem Kind, dass es sich auch bei Problemen im Internet an Sie wenden kann, ohne gleich bestraft zu werden. 
  • Problembewusstsein schaffen
    Sprechen Sie mit Ihrem Kind darüber, dass nicht alle Personen im Internet Gutes im Sinn haben und woran man das möglicherweise erkennen kann. Erklären Sie auch, dass andere Nutzerinnen und Nutzer nicht immer die sind, für die sie sich ausgeben. 
  • Verbote vermeiden
    Viele Eltern verbieten ihrem Kind, mit Unbekannten im Internet Kontakt aufzunehmen – im Zeitalter von Instagram, Snapchat, TikTok & Co. ist das aber unrealistisch. Bedenken Sie: Junge Nutzerinnen und Nutzer kommen heutzutage online immer auch mit Fremden in Berührung! 
  • Bauchgefühl stärken 
    Ermutigen Sie Ihr Kind, auf sein Bauchgefühl zu hören, wenn es etwas als unangenehm empfindet – das kann auch schon das Bussi von der Großtante sein. 
  • „Nein“ sagen üben
    Trainieren Sie mit Ihrem Kind, Groomer abzuwehren – mit Aussagen wie: „Lass mich in Ruhe!“, „Ich will das nicht!“, „Was du da machst, ist verboten!“, „Ich melde das der Polizei/Ich zeige dich an!“ Wehren sich Kinder und Jugendliche von Beginn an gegen Annäherungsversuche, werden sie für potenzielle Täter schnell uninteressant. 
  • Persönliche Daten und Fotos schützen
    Schärfen Sie Ihrem Kind ein, persönliche Daten wie Adresse, Schule oder Handynummer niemals an Online-Bekanntschaften weiterzugeben – dasselbe gilt für Fotos. Gehen Sie auch innerhalb der Familie stets bedacht mit Kinderfotos um – zum Beispiel haben Badewannenfotos Ihres Kindes nichts auf Instagram & Co. verloren! 
  • Nur in der Öffentlichkeit treffen
    Vereinbaren Sie mit Ihrem Kind, dass es sich mit einer Bekanntschaft aus dem Netz nur an öffentlichen Orten (Kino-Center, Café etc.) trifft und Ihnen davor unbedingt Bescheid gibt. Begleiten Sie Ihren Nachwuchs nach Möglichkeit und bleiben Sie in Sichtweite. 
  • Bleiben Sie ruhig! 
    Sprechen Sie möglichst sachlich und ruhig mit Ihrem Kind über Cybergrooming und geraten Sie nicht in Panik. Kinder sollten nicht das Gefühl bekommen, ihre Eltern schützen zu müssen – sonst werden sie sich im Anlassfall nicht an diese wenden.

Hinweis

Was von Eltern zu beachten ist, wenn sie Fotos ihrer Kinder auf Social-Media-Plattformen veröffentlichen möchten, lesen Sie hier

Mein Kind wird im Internet sexuell belästigt – was kann ich tun? 

  • Unterstützung anbieten
    Seien Sie für Ihr Kind da und machen Sie ihm keine Vorwürfe – Schuld hat nie das Kind, sondern die Person, die das Kind belästigt! 
  • Melden und blockieren
    Cybergroomer sollten im jeweiligen sozialen Netzwerk sofort blockiert und an die Seitenbetreiber gemeldet werden. Genaue Anleitungen dazu finden Sie in den Privatsphäre-Leitfäden für soziale Netzwerke
  • Beweise sichern
    Wird ein Verfahren gegen den Groomer angestrengt, sind Beweise notwendig. Daher sollten Screenshots angefertigt und Nachrichten abgespeichert werden – auch wenn man mit der Angelegenheit am liebsten nichts mehr zu tun hätte. 
  • Anzeigen
    Erstatten Sie bei der nächsten Polizeidienststelle Anzeige gegen den Täter. Beziehen Sie sich dabei konkret auf § 208a StGB (Anbahnung von Sexualkontakten zu Unmündigen). 
  • Neues Konto anlegen 
    Bleibt nach einer Belästigung ein ungutes Gefühl oder Furcht vor dem Groomer, kann es sinnvoll sein, den alten Account im sozialen Netzwerk zu löschen. Im neu angelegten Konto sollte Ihr Kind von Anfang an darauf achten, welche Inhalte es mit anderen teilt und wessen Kontaktanfragen es annimmt. 
  • Reflektieren 
    Reden Sie mit etwas zeitlichem Abstand noch einmal darüber, wie die Grooming-Situation zustande gekommen ist. Warum hat Ihr Kind Vertrauen zum Täter gefasst? Welche „Belohnungen“ wurden versprochen? Was kann und soll Ihr Kind tun, falls es wieder zu einer ähnlichen Online-Situation kommt (sich Ihnen anvertrauen!)? Wie können Sie als Elternteil Ihr Kind in Zukunft besser unterstützen (mehr Interesse zeigen, mehr Zeit haben etc.)? 
  • Hilfe suchen
    Scheuen Sie sich nicht, in dieser belastenden Situation professionelle Hilfe anzunehmen! Hier finden Sie Kontakte zu Beratungsstellen

Tipp

Die Pädagogin Barbara Buchegger von Saferinternet.at erklärt in der Videoreihe „Frag Barbara!“, wie besorgte Eltern auf Cybergrooming angemessen reagieren können.

Letzte Aktualisierung: 13. Februar 2023

Für den Inhalt verantwortlich: A-SIT Zentrum für sichere Informationstechnologie – Austria