Influencer-Marketing: Wenn Kinder und Jugendliche zur Zielgruppe werden

Werbungen und Kaufaufforderungen auf Social Media sind für Minderjährige nicht immer als solche zu erkennen. Ein Interview mit Expertin Barbara Buchegger anlässlich des heutigen Safer Internet Day (8. Februar 2022) über die Gefahren von unerwünschten Marketing-Botschaften, wie man Kinder schützen kann und über die Wirkung von Werbung.

Grafik eines Laptops zur Online-Education
Influencer-Marketing. Foto Adobe Stock

Sie präsentieren coole Mode, angesagte Kosmetik, sprechen über die neuesten Trends und Spiele. Und das auf Augenhöhe mit Kindern und Jugendlichen und in einer Sprache, die sie selbst auch sprechen. Influencerinnen und Influencer sind auf und durch die Social-Media-Plattformen zu Stars geworden. Mit täglichen Fotos und Videos und einer scheinbar direkten und persönlichen Ansprache werden die (meist ebenfalls jungen) Frauen und Männer für viele Kinder sogar zu Freundinnen und Freunden. Doch die Geschäftsmodelle und Werbeformen, die hinter den Produktpräsentationen der Influencerinnen und Influencer stehen, sind oft schwer zu durchschauen – nicht nur, aber besonders für Kinder. Weil die Minderjährigen jedoch gleichzeitig auch eine interessante Zielgruppe von Influencer-Marketing sind, müssen sie vor negativen Auswirkungen besonders geschützt werden. Eine Herausforderung für die Eltern, aber auch für die Politik und die Plattformen, die für die notwendigen Kennzeichnungen von Werbung und Marketing auf Instagram, TikTok und Co. zuständig sind.

Umso wichtiger ist es, dass Kinder und Jugendlichen lernen, die – vor allem undeutlich gekennzeichneten – Produktplatzierungen der Internet-Stars als das zu erkennen, was sie sind: nämlich Werbung. Die Initiative Saferinternet.at unterstützt seit Jahren beim kompetenten, sicheren und verantwortungsvollen Umgang mit digitalen Medien. Saferinternet.at-Expertin Barbara Buchegger erklärt – anlässlich des diesjährigen Safer Internet Days – im Interview, wie Influencer-Marketing funktioniert, wie diese Art von Werbung auf Kinder und Jugendliche wirkt, wie sie geschützt werden können und warum es gefährlich sein kann, mit Social Media alleine gelassen zu werden.

Hinweis

Im Videobeitrag "Influencer Marketing" finden Eltern und Erziehungsberechtigte hilfreiche Tipps, wie sie ihren Kindern den richtigen Umgang mit Influencer Marketing beibringen können.

Was ist Influencer Marketing genau und wie sieht das Geschäftsmodell dahinter aus?
Barbara Buchegger: Influencerinnen und Influencer sind Personen, die in – eher bild- oder videobasierten – sozialen Netzwerken eine große Community haben, der sie etwas beibringen, mitteilen oder die sie an ihrem Leben teilhaben lassen möchten. Influencerinnen und Influencer sprechen verschiedene Themen an, manchmal sind es einfach auch nur Inhalte zur Unterhaltung.

Beim Influencer-Marketing bewerben Influencerinnen und Influencer Produkte oder bestimmte Inhalte. Das tun sie auf unterschiedliche Art und Weise. Und diese Werbeformen sind vor allem für Kinder sehr schwer zu erkennen.

Influencer-Marketing: Produkte werden in eine „Geschichte“ eingebaut

Was für Inhalte verbreiten Influencerinnen und Influencer? Welche Arten von Influencer-Marketing gibt es?
Buchegger: Aus Sicht der Kinder können die Inhalte die ganze Bandbreite haben, die in ihrem Leben eine Rolle spielt: von Online-Spielen über bestimmte Produkte, die Kinder interessieren bis hin zu Unterhaltung, etwa wenn die Influencerinnen und Influencer ein besonderes Produkt auspacken – sogenannte Unboxing-Videos – sowie neue Trends aus der Welt des Sportes oder von Filmen und Serien wird vieles präsentiert. Das Bestreben der Influencerinnen und Influencer ist natürlich immer, viele Klicks zu bekommen, eine möglichst gute Show zu bieten und damit zu erreichen, dass das Publikum lange dranbleibt.

Warum ist es für Kinder und Jugendliche oft schwierig zu erkennen, dass Influencerinnen und Influencer in ihren Bildern oder Videos eigentlich Produkte bewerben?
Buchegger: Das liegt daran, dass die zu bewertenden Produkte in Geschichten eingebaut werden. Das kann der Pulli sein, den die Person trägt, oder auch ein Produkt, das wie zufällig im Hintergrund steht. Es kann auch etwas sein, das ausgepackt oder verwendet wird. Möglich ist auch, dass ein Event, auf das hingewiesen wird, oder ein Computerspiel, das gespielt wird, eigentlich Werbung ist. Die Inhalte sind so vielseitig, dass es kaum zu durchschauen ist, was wirklich beworben wird. Die Frage, die sich hier stellt, ist: Wird etwas gezeigt, das die Person aus freien Stücken gewählt hat oder etwas, wofür bezahlt wird?

Werbung auf Social Media: Regeln werden nicht immer eingehalten

An welche Regeln müssen sich Influencerinnen und Influencer halten? Und werden diese dann auch eingehalten?
Buchegger: Es gibt Regeln. Werbung muss gekennzeichnet sein und darf sich nicht an Kinder direkt wenden. Es darf also keine Kaufaufforderung an Kinder direkt geben. Wir bemerken immer wieder, dass Influencerinnen und Influencer sehr wohl versuchen, sich an die Regeln zu halten, aber dann kreativ in der Umsetzung sind. Manchmal ist Werbung mit Hashtags im Begleittext klar gekennzeichnet oder als „gesponserter Beitrag“ eindeutig erkennbar. Kurzzeitig war Werbung im Video mit einem Buchstaben gekennzeichnet, manchmal ist Werbung in den Beschreibungen gekennzeichnet. Nur: Wann schauen die Kinder dort hin? Das ist das Problem. Halten sich die Influencerinnen und Influencer an die Kennzeichnungspflicht, die Kinder sehen es aber nicht? Und wo ist die Grenze, dass die Kennzeichnung für Kinder noch wahrnehmbar ist? Das ist ganz, ganz schwierig. Und wir sehen, dass es auch je nach Plattform unterschiedlich erkennbar ist. Lautet bei Instagram der erste Hashtag „Werbung“, ist das besser erkennbar als bei TikTok-Videos, wo oft viel Information auf einen einprasselt. Da ist es sehr schwer erkennbar, ob das ein Werbevideo ist oder nicht.

Welche Plattform bietet mehr, welche weniger Schutz für Kinder vor Influencer-Marketing?
Buchegger: Was die gefährlichste Plattform für Kinder ist, kann man nicht pauschal beantworten. Ganz generell braucht es Begleitung der Kinder – Eltern und erwachsene Bezugspersonen sollen sich Inhalte gemeinsam mit den Kindern anschauen. Auch auf Instagram, wo fast jeder dritte Beitrag ein gesponserter Werbebeitrag ist! Denn für Kinder ist das aufgrund der Menge an Postings gar nicht so leicht zu erkennen.

Gefährlich ist es für Kinder, wenn man sie allein lässt und nicht mit ihnen ins Gespräch darüber kommt, was Werbung bedeutet, was für Auswirkungen sie hat und warum man sie sich so gerne anschaut. Kinder brauchen Unterstützung, um erkennen zu können, was das mit ihnen macht. Wichtig ist, das auf eine Art und Weise zu hinterfragen, die die Kinder nicht in den Widerstand treibt. Sonst heißt es, die Erwachsenen machen es ihnen madig und gönnen ihnen die Werbung nicht. Besser ist es, gemeinsam Dinge zu überprüfen, etwa durch Blindverkostungen von Produkten, die sie super finden und die in der Werbung vorkommen. Das führt oft zu überraschenden Ergebnissen.

Unerlaubte Werbung kann gemeldet werden

Wie kann man nun am besten erkennen, ob eine Influencerin oder ein Influencer für einen bestimmten Inhalt bezahlt wird?
Buchegger: Die Werbung, die Influencerinnen oder Influencer präsentieren, muss gekennzeichnet sein. Den Hinweis muss ich entweder im Video oder in der Videobeschreibung erkennen können. Zweitens darf sich Werbung nicht als eine Kaufaufforderung an Kinder richten. Wenn sie das tut, muss das gemeldet werden, denn das widerspricht den Gesetzen. Manchmal wird das auch abgemahnt und geahndet, und das kann für die Influencerinnen und Influencer teuer werden. Aber es passiert leider nicht ausreichend.

Warum ist es so gefährlich für Kinder, Werbung nicht zu erkennen, und was kann die Auswirkung sein?
Buchegger: Werbung ist für Kinder – aber natürlich auch für Erwachsene – ein irrsinnig schöner, erstrebenswerter Zustand. Werbung versetzt sie in ein gutes Gefühl. Dieses gute Gefühl möchten sie haben und daher möchten Sie Produkte kaufen, geschenkt bekommen oder in einem Computerspiel einlösen. Es ist egal, ob die Werbung im Fernsehen oder in einer Zeitschrift ist oder von Influencerinnen und Influencern kommt: Werbung wirkt auf Kinder und setzt Wünsche frei. Aber im Influencer-Marketing ist Werbung besonders schwer erkennbar.

Um zu erkennen, dass Werbung viel verspricht, das dann in Wirklichkeit nicht immer eintritt, braucht es Reflexionsfähigkeit. Aus Erfahrung weiß man vielleicht, dass diese Dinge nicht so gut schmecken oder die Creme und das Shampoo nicht hübscher machen. Die Erkenntnis und das Lernen, dass Werbung etwas verspricht, das es nicht unbedingt hält, muss man mit Kindern immer wieder besprechen.

Umgang mit Werbung und Co.: Eltern sind die wichtigsten Vorbilder

Was sollen die Eltern sonst noch beachten, außer, dass sie mit den Kindern über Werbung und was dahinter steckt reden?
Buchegger: Eltern sind immer Vorbilder. Wie Eltern auf Werbung und ihre Versprechungen reagieren, ahmen Kinder nach. Wenn die Eltern sich das neueste Auto wünschen, weil es wunderschön ist oder etwas ganz Besonderes kann, davon träumen und auch viel darüber sprechen, machen das Kinder nach und adaptieren es für ihre Zwecke.

Sollten Eltern sich damit beschäftigen, welchen Influencerinnen und Influencer ihre Kinder folgen? Worauf sollten Sie dabei achten?
Buchegger: Alle Eltern sind gut beraten, ihre vor allem jüngeren Kinder zu begleiten und sich für die Inhalte zu interessieren, die sie sich im Internet anschauen. Das können Influencerinnen und Influencer sein, das können aber auch Computerspiele oder Serien sein. Denn solche Kaufaufforderungen sind an vielen Orten zu finden. Diese Beschäftigung mit den Inhalten, die Kinder interessieren, ist auch deshalb wichtig, weil die Kinder Botschaften und Inhalte von Influencerinnen und Influencern sehr persönlich nehmen. Sie sind oft so etwas wie ihre Freundinnen und Freunde, sie identifizieren sich unglaublich mit ihnen. Für die Eltern ist es sehr, sehr wichtig, dass sie wissen, mit wem sich das Kind identifiziert, wen es liebt und wem es glaubt.

Was kann man tun, wenn die notwendige Kennzeichnung von Werbung oder Marketing nicht eingehalten wird? An wen sollte man sich wenden, wenn man Verstöße erkennt?
Buchegger: Es gibt in den Netzwerken Möglichkeiten, Verstöße zu melden. Denn auch die sozialen Netzwerke haben eine Verpflichtung, dafür zu sorgen, dass alles rechtens zugeht. Auch kann man sich an Institutionen wie den Werberat wenden. Dieser kann bei Unklarheiten über Influencerinnen oder Influencer sowie Verstößen nachforschen. Hier kommt es immer wieder auch zu Abmahnungen. Man könnte auch eine Anzeige machen, aber das passiert nur in den wenigsten Fällen.

Machen die Plattformen Ihrer Meinung nach genug, um die Minderjährigen zu schützen und was könnten die Plattformen noch besser machen?
Buchegger: Es gibt immer wieder Versuche und Aufforderungen, Werbung deutlicher zu kennzeichnen. Das sind sicher Schritte in die richtige Richtung. Gleichzeitig entstehen ständig neue Formen des Influencer-Marketings. Nehmen wir das Beispiel der Liveübertragungen, wo Kinder Influencerinnen und Influencern Geschenke kaufen können. Das hat jetzt nicht direkt mit Marketing zu tun, aber Kinder geben echtes Geld für ihre Heros aus. Diese neuen Formen auch so zu kennzeichnen, dass Kinder vor solchen Gefahren geschützt werden, ist eine ständige Herausforderung. Plattformen machen das mal mehr, mal weniger beherzt.

Wie beurteilen Sie die Rolle der Politik: Braucht es strengere gesetzliche Vorgaben?
Buchegger: Notwendig ist das Dranbleiben an den immer neu entstehenden Formen, auch in den gesetzlichen Rahmenbedingungen. Es muss Möglichkeiten geben, dass man Verstöße wirklich schnell und einfach melden kann und dann in Folge auch etwas passiert. Der Gesetzgeber muss genau vorgeben, wie Werbung gekennzeichnet werden muss und was als direkte Kaufaufforderungen an Kinder zählt. Ein Beispiel sind In-App-Käufe in Spielen, die ja ganz eindeutig direkte Kaufaufforderungen an Kinder sein können und oft auch sind. Aber gelten sie auch als solche? Das ist zu oft unklar.

Letzte Aktualisierung: 7. Februar 2022

Für den Inhalt verantwortlich: A-SIT Zentrum für sichere Informationstechnologie – Austria