Der digitale Euro als Zahlungsmittel von morgen: Eine Vorschau 

Warum der digitale Euro den Geldverkehr in Europa vereinfachen wird und welche Vorteile er sonst noch bietet, erfahren Sie im Interview mit Petia Niederländer, Direktorin der Hauptabteilung Zahlungsverkehr, Risikoüberwachung und Finanzbildung der Oesterreichischen Nationalbank.

Am Terminal via Smartphone mit dem digitalen Euro bezahlen
Der digitale Euro. Foto Adobe Stock

Ein Zahlungsmittel, das immer und überall eingesetzt werden kann, allen Menschen barrierefrei zur Verfügung steht und dabei nicht mit zusätzlichen Gebühren verbunden ist – der digitale Euro soll den Zahlungsverkehr vereinfachen und demokratisieren.

Petia Niederländer, Direktorin der Hauptabteilung Zahlungsverkehr, Risikoüberwachung und Finanzbildung der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB), erklärt im Interview, welche Vorteile der digitale Euro gegenüber anderen Zahlungsmitteln bieten wird.

Der digitale Euro im Überblick: ein Interview 

Was ist der digitale Euro?
Petia Niederländer: Der digitale Euro ist ein digitales Zentralbankgeld. Er ist eine Ergänzung zum Bargeld, kein Ersatz, und ermöglicht es Bürgerinnen und Bürgern, im digitalen Raum oder auch offline für Dienstleistungen und Sonstiges zu bezahlen.

Welche Vorteile bietet der digitale Euro?
Niederländer: Im Unterschied zu bestehenden Zahlungsmitteln wie Bankomatkarte oder Apple Pay können Bürgerinnen und Bürger mit dem digitalen Euro bargeldähnlich und unkompliziert überall bezahlen. Unabhängig davon, ob man sich in Spanien in einem Restaurant befindet, in Deutschland im Taxi oder vielleicht in den Niederlanden im Zug sitzt.

Damit bestehende elektronische Zahlungsmittel überall funktionieren, müssen sie lokal und regional angepasst werden. Wenn man EU-weit bezahlen möchte, trifft man auf Einschränkungen. Das möchte der digitale Euro beheben.

Welche Unterschiede gibt es zwischen herkömmlichem Online-Banking und dem Bezahlen mit dem digitalen Euro?
Niederländer: Heute können Sie mit Ihrem digitalen Banking nicht direkt im Geschäft bezahlen. Wir nutzen unser Online-Banking sowie digitale Banking-Apps der Hausbank für Überweisungen, etwa für Miete, Strom oder Gas. Mit dem digitalen Euro können Sie, wie mit einer Bankomatkarte oder Kreditkarte, auch im Handel bezahlen.

Elektronische Zahlungsmittel sind außerdem regelmäßig mit Gebühren verbunden. Selbst wenn die Services kostenlos angeboten werden, muss man davon ausgehen, dass die Daten der Konsumentinnen und Konsumenten, dem Geschäftsmodell der Bank entsprechend, weitere Verwendung finden. Der digitale Euro möchte demgegenüber eine kostengünstige Zahlungsalternative sein – für Konsumentinnen und Konsumenten kostenlos und für Händler mit einer Gebühr verbunden, die geringer ist als bei herkömmlichen Zahlungsanbietern.

Das Eurosystem stellt den digitalen Euro als öffentliches Gut zur Verfügung – den Konsumentinnen und Konsumenten werden dabei weder Scheme Fees (Kartenorganisationsgebühren, Anm.) noch andere Abwicklungsgebühren verrechnet. Allfällige Gebühren entstehen nur im Privatsektor beziehungsweise in der Distribution und werden den Händlern auferlegt.

Hinweis

Im Videoclip "Der digitale Euro" erklärt Petia Niederländer, welche Vorteile die elektronische Währung mit sich bringen wird. 

Wie können Bürgerinnen und Bürger in Zukunft mit dem digitalen Euro bezahlen?
Niederländer: Der digitale Euro möchte die unterschiedlichsten Lebenssituationen der Konsumentinnen und Konsumenten berücksichtigen. Neben den vielen digitalaffinen Menschen gibt es auch Personen, die kein Bankkonto haben. Für sie bietet die digitale Währung eine Offline-Variante, die auch ohne Konto genutzt werden kann. Sie können zum Beispiel bei Ihrer Hausbank eine sogenannte digitale Geldbörse eröffnen und auf diese bis zu einer bestimmten Betragsgrenze unkompliziert Geld laden.

Wie würde das Bezahlen mit dem digitalen Euro beispielsweise in einem Geschäft aussehen?
Niederländer: Den digitalen Euro wird es in unterschiedlichen Formen geben – als Karte beziehungsweise als Offline-Variante oder etwa als Smartphone-App. Zum Bezahlen müssen Sie Geld  in der digitalen Geldbörse hinterlegen. Im Geschäft sagen Sie an der Kasse einfach, dass Sie mit dem digitalen Euro bezahlen möchten. Dann halten Sie Ihr Smartphone oder Ihre Karte vor das Bezahlterminal. Bei höheren Beträgen werden Sie sich eventuell noch via Face ID auf dem Smartphone oder per PIN-Eingabe am Terminal authentifizieren müssen.

Wie viel Anonymität bietet der digitale Euro im Zahlungsverkehr?
Niederländer: Hier muss zwischen „anonym“ und „privat“ differenziert werden. Wir haben uns zum Ziel gesetzt, die Privatheit zu schützen, aber nicht ein völlig anonymes Zahlungsmittel zu schaffen. Das Eurosystem hat keinen Zugriff auf die Transaktionsdaten der Userinnen und User. Genauso wie beim Bargeld steht es allen Menschen frei zu entscheiden, wofür sie bezahlen und ob sie den Händlern ihre Daten geben oder nicht. Das ist ein großer Unterschied zu herkömmlichen elektronischen Zahlungsmitteln. Sie können heute, wenn Sie eine Onlineüberweisung schicken, der Empfängerin oder dem Empfänger nicht verweigern, Ihren Namen oder Ihre IBAN zu einzusehen. Auch wenn Sie mit einer Karte zahlen, wird diese Information dem Händler zur Verfügung gestellt. Beim digitalen Euro ist das nicht der Fall. Das Eurosystem schafft ein Regelwerk, das Bürgerinnen und Bürgern ermöglicht, selbst zu entscheiden, ob sie ihre Transaktionsdaten privat halten wollen. Die Empfängerin oder der Empfänger erhält dann nur Einsicht in die gesicherte Übertragung des Geldes sowie eine Bestätigung der Liquidität, aber keine personenbezogenen Daten. Das ist ein sehr hohes Maß an Privatheit.

Völlige Anonymität gibt es aber nicht, denn bei der Registrierung einer digitalen Geldbörse muss man sich ausweisen. Wenn ich heute Bargeld über einem bestimmten Betrag bei der Bank einzahle, muss ich mich allerdings ebenfalls identifizieren. Der Finanzintermediär prüft meine Identität und stellt mir eine digitale Geldbörse aus. Diese Identitätsdaten bleiben aber beim Finanzintermediär. Anonymität ist zwar nicht mehr gegeben, es ist aber sichergestellt, dass kein Dritter diese Daten nutzt. Bei besonders hohen Transaktionen wird – wie schon bisher – im Rahmen der Anti-Geldwäsche-Prävention die Identität der Empfängerin oder des Empfängers überprüft. Diese Kontrolle erfolgt aber beim Provider (Banken und andere Zahlungsdienstleister wie PSA Payment Services Austria), also bei demjenigen, der die Geldbörse bereitstellt, nicht beim Eurosystem. Dadurch wird garantiert, dass nur ein sehr eingeschränkter Personenkreis diese Daten hat.

Hinweis

Weiterführende Informationen finden Sie auch auf der Website der Oesterreichischen Nationalbank.

Wie sicher ist der digitale Euro?
Niederländer: Der digitale Euro wird sehr sicher sein. Ziel ist es, dass wir den digitalen Euro und die Distribution genauso regulieren wie bestehende Zahlungssysteme. Vor 20 Jahren hat das Eurosystem die TARGET-Services ins Leben gerufen, um den freien Austausch von Geld, Wertpapieren und Sicherheiten im Eurosystem zu gewährleisten. Das funktioniert seither ebenso reibungslos wie das 2019 eingeführte Echtzeit-Zahlungssystem. Die Sicherheit der digitalen Währung wird durch ein Cyber Resilience Framework überwacht. Wir stellen dabei sicher, dass der digitale Euro nicht angegriffen werden kann und bestimmte Sicherheitsmerkmale Manipulationen vorbeugen. Diese Sicherheitsmerkmale werden gemeinsam mit IT- und Cyberspezialistinnen und -spezialisten entwickelt, sodass ein Höchstmaß an Sicherheit gewährleistet ist.

Welche Risiken könnte es in Bezug auf den digitalen Euro geben? Worauf sollten Bürgerinnen und Bürger in Zukunft achten?
Niederländer: Mündige Bürgerinnen und Bürger müssen immer darauf achten, wofür sie tatsächlich bezahlen. Im Unterschied zum physischen Handel muss man im elektronischen Raum besonders aufpassen, ob man es mit einem vertrauenswürdigen Händler zu tun hat. Diese Risiken bestehen bereits heute.

Außerdem kann man eine digitale Geldbörse genauso verlieren wie eine physische Geldbörse. Deshalb sollten sich Nutzerinnen und Nutzer überlegen, wie viel Geld sie auf ihrer Karte oder dem Smartphone mitführen wollen, und die Nutzung derart gestalten, dass sie den eigenen Bedürfnissen entspricht und dabei möglichst wenig Risiko birgt. Es ist nicht notwendig, 1.000 digitale Euro dabei zu haben, da die digitale Geldbörse bei Bedarf immer und überall aufgeladen werden kann.

Warum ist für das Mitführen des digitalen Euro ein Limit vorgesehen?
Niederländer: Wir werden im Sinne der Finanzmarktstabilität eine Halteobergrenze einführen. Die Höhe dieser Grenze steht noch nicht fest. In der Arbeitshypothese ist aber vorgesehen, dass Bürgerinnen und Bürger bis zu 3.000 Euro in der digitalen Geldbörse halten dürfen. Hier muss zwischen Haltegrenze und Transaktionsgrenze unterschieden werden. Zum Bezahlen wird man beliebige Beträge überweisen können. Es geht also lediglich um die Aufbewahrungsfunktion. Die Haltegrenze muss gut gewählt sein, damit es im Finanzsektor nicht zu Liquiditätsproblemen kommt. Der digitale Euro soll nicht die Funktion eines Sparbuchs übernehmen.

Wann kommt der digitale Euro?
Niederländer: Über die nächste Phase des Projekts wird im Oktober vom EZB-Rat entschieden. Diese Phase sieht vor, dass wir mit den Banken sowie den Teilnehmerinnen und Teilnehmern in einer Vorbereitungs- und Experimentierphase zusammenkommen. Erst dann wird das Gremium eine Entscheidung treffen und diese umsetzen. Wir rechnen nicht mit einer Einführung vor Ende 2027.

Hinweis

Auf der Website der Oesterreichischen Nationalbank finden Sie Antworten auf häufig gestellte Fragen rund um den digitalen Euro.

Letzte Aktualisierung: 28. Juli 2023

Für den Inhalt verantwortlich: A-SIT Zentrum für sichere Informationstechnologie – Austria