Was Sie schon immer über Desinformation wissen wollten, aber bisher nicht zu fragen wagten

Desinformation ist keine neue Erfindung, aber durch digitale Technologien (nicht zuletzt soziale Medien) ist sie heute gefährlicher denn je.

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Foto: Adobe Stock

Wer online unterwegs ist, stößt fast täglich auf verschiedenste manipulative Inhalte: seien es vermeintliche wörtliche Zitate von Politiker/innen, die so nie gefallen sind; dramatische Videos, angeblich aus aktuellen Krisengebieten – tatsächlich aber aus einem ganz anderen Kontext viele Jahre zuvor und hunderte Kilometer entfernt; oder vorgebliche Gesundheitsratschläge, die mehr schaden als helfen.

Was steckt dahinter? Und warum ist Desinformation manchmal so schwierig zu erkennen? Wir werfen einen Blick hinter die Kulissen dieses allgegenwärtigen Problems.

Von Falschmeldung bis Propaganda: Was ist Desinformation eigentlich?

Nicht jede falsche Information ist Desinformation – es kommt auf die dahinterliegende Intention an. Der Begriff „Desinformation“ bezeichnet gezielt verbreitete Falschinformation, die mit der Absicht erstellt wurde, zu täuschen, zu manipulieren oder Schaden anzurichten. Darin unterscheidet sich Desinformation von Irrtümern, Halbwissen oder Hörensagen.

Um ein paar Beispiele zu nennen:

  • Eine falsche Zahl in einem Blogpost oder Nachrichtenartikel kann ein redaktioneller Fehler sein – dann sprechen wir von Fehl- oder Misinformation. Ist die Zahl jedoch bewusst verfälscht, um Stimmung zu machen, dann handelt es sich um Desinformation.
  • „Clickbaiting“ oder reißerische Überschriften sind vielleicht nicht der beste Nachweis eines journalistischen Arbeitsethos – aber das alleine ist noch keine Desinformation.
  • Auch Satire oder Parodien sind manchmal schwierig von Desinformation zu unterscheiden; bei den bekannteren Satireportalen wie der Tagespresse, dem Postillon oder The Onion mag den meisten Leser/innen klar sein, dass es sich um Satire handelt, weniger online-erfahrenen Nutzer/innen aber vielleicht nicht sofort auf den ersten Blick.

Das Ziel von Desinformation ist meist recht simpel: starke Emotionen erzeugen, Vertrauen untergraben, Konflikte schüren, Meinungen gezielt beeinflussen – zugunsten gewisser politischer, wirtschaftlicher oder ideologischer Interessen.

Warum verbreitet sich Desinformation so leicht?

Dies liegt nicht zuletzt an der Funktionsweise digitaler Medien, insbesondere sozialer Medien. Inhalte lassen sich in Sekundenschnelle teilen und streuen – ganz gleich, ob sie wahr oder falsch, glaubwürdig oder absurd sind. Die Algorithmen vieler sozialer Netzwerke (wie TikTok oder Instagram) belohnen außergewöhnliche Inhalte, nicht Korrektheit. Inhalte, die schockieren oder emotional berühren, werden öfter geklickt und geteilt (dies gilt auch für „klassische“ Medien, etwa die Onlineportale von Tages- oder Wochenzeitungen) – und genau diesen Mechanismus nutzen die Ersteller/innen von Desinformation aus, um ihre Inhalte sichtbarer zu machen.

Hinzu kommt: Generative künstliche Intelligenz ermöglicht es seit einigen Jahren, sehr glaubhaft wirkende Texte, Bilder, Audio- und Videoinhalte zu erstellen. Bei multimedialen Inhalten spricht man hier von sogenannten „Deepfakes“; die Grenze zwischen echt und gefälscht verschwimmt hierdurch für Lai/innen immer mehr, wenngleich mit etwas Übung einige Merkmale solcher Deepfakes gut erkenntlich sind. (Nach wie vor tun sich etwa die Algorithmen generativer KI mit interner Kohärenz in längeren Videos oder komplexen Details wie menschlichen Händen schwer.)

Warum ist Desinformation ein Sicherheitsproblem?

Desinformation kann nicht nur etwas abstrakt das Vertrauen in Medien oder das politische System erschüttern, sie kann auch ganz konkret gefährlich werden. Einige plakative Beispiele:

  • Im Gesundheitsbereich kann Desinformation über angebliche (erfundene) Gefahren von Impfungen oder falsche Berichte über Krankheitssymptome und -therapien gesundheitliche Risken bedingen, wenn Menschen ihr Verhalten danach ausrichten.
  • Im Kontext der IT-Sicherheit wird Desinformation gezielt eingesetzt, um Angriffe vorzubereiten – etwa durch sogenanntes „Social Engineering“ oder das gezielte Streuen falscher Informationen über Sicherheitslücken, um Nutzer/innen dazu zu verleiten, auf Links in E-Mails unbekannter Herkunft zu klicken oder Dateianhänge zu öffnen.
  • Im politischen Bereich schließlich wird Desinformation zur Beinflussung von Wahlen, zur Verbreitung von Verschwörungserzählungen oder zum gezielten Betreiben von Hasskampagnen eingesetzt, was politische Instabilität, fortschreitende Polarisierung und sogar Gewaltausbrüche verursachen kann.

Wer ist besonders betroffen?

Ganz grundlegend betrifft das Thema Desinformation alle, die online Informationen konsumieren. Besonders betroffen sind jene Menschen, die besonders viel Zeit online verbringen und soziale Medien intensiv nutzen – also insbesondere Jugendliche und junge Erwachsene. Sie sind besonders oft mit Desinformation konfrontiert, gleichzeitig fehlt es ihnen manchmal noch an der Routine im Umgang mit Quellenkritik.

Das bedeutet keineswegs, dass diese Zielgruppe besonders leichtgläubig wäre – im Gegenteil, viele sind erstaunlich kritisch im Umgang mit Information. Oft mangelt es aber an struktureller Unterstützung und gezielter Schulung in Medienkompetenz, um sich im unübersichtlichen Informationsdschungel zurechtzufinden – und dieses Problem haben wiederum wir alle, nicht nur junge Menschen.

Was können wir tun?

Die gute Nachricht: Es gibt viele Initiativen und Ansätze, wie wir alle Desinformation besser erkennen und ihr entgegenwirken können. Dazu gehören etwa:

  • kritische Prüfung von Inhalten durch Recherche zu den Autor/innen und/oder zum Thema – dabei helfen technische Tools zur Faktenprüfung oder Erkennung manipulierter Inhalte, etwa Reverse-Image-Search-Werkzeuge wie TinEye;
  • Informationsplattformen mit Faktenchecks zu verbreiteten Falschinformationen (Saferinternet.at bietet einen umfassenden Überblick dazu: https://www.saferinternet.at/welche-faktenchecker-gibt-es);
  • Gesetze und Regulierungen, wie der europäische Digital Services Act samt dem Code of Practice on Disinformation;
  • Aufklärung und Förderung von Medienkompetenz und -literacy, nicht zuletzt bei jungen Menschen.

Aktuell forschen Wissenschafter/innen der Universität für Weiterbildung Krems und der Fachhochschule St. Pölten im Rahmen des Projekts „Young Citizen Scientists against Disinformation“ aus einem besonderen Blickwinkel zu Desinformation: Die Forscher/innen informieren Jugendliche nicht nur über Desinformaation, sondern binden diese als aktive Mitforschende ein. Die Schüler/innen dreier niederösterreichischer Schulen analysieren selbst Inhalte, diskutieren über Desinformation und ihre Bekämpfungen und entwickeln gemeinsam mit den Wissenschafter/innen Ideen für technische Lösungen.

Das Projekt steht prototypisch für einen ganz zentralen Punkt: Wer Desinformation besser verstehen und ihr entgegentreten will, muss die jeweiligen Zielgruppen mitdenken – und insbesondere auch mit einbeziehen. Gerade junge Menschen haben oft ein feines Sensorium dafür, was in ihren digitalen Lebenswelten gerade passiert. Ihre Perspektiven sind daher nicht nur ein relevanter Input, sondern oft auch auf einer ganz praktischen Ebene hilfreich.

Fazit: Wachsamkeit und kritisches Denken ist der beste Schutz

Desinformation wird unseren Medienalltag auf absehbare Zeit mitprägen – aber wir können alle gemeinsam lernen, besser damit umzugehen. Dafür braucht es nicht nur technische Lösungen, sondern vor allem auch kritisches Denken (insbesondere auch Quellenkritik), ein bisschen Neugier und Verständnis für die Rolle und Funktionsweise verschiedener Akteur/innen in der medialen Landschaft und den Mut, Dinge zu hinterfragen, die unsere Freund/innen oder Bekannte uns weiterleiten oder auf sozialen Medien teilen. Jeder Klick, jeder Like, jede Weiterleitung zählt – aber eben auch jedes kritische Nachfragen, jede Aufklärung über Fehlinformation und jeder kleine Fortschritt im reflektierten Umgang mit medialen Inhalten.

Denn: In den digitalen Welten sind wir alle Teil des Informationsflusses, damit auch Teil des Desinformations-Problems – und zugleich Teil der Lösung.

Letzte Aktualisierung: 22. Mai 2025

Für den Inhalt verantwortlich: FH St. Pölten, Institut für IT-Sicherheitsforschung