Kinder und Sicherheit im Internet: Vertrauen ist gut, Kontrolle ist schlechter

Beim sicheren und selbstbestimmten Umgang von Kindern (und Jugendlichen) mit der Online-Welt geht es nicht um Kontrolle und Überwachung, sondern um Begleitung und Vertrauen.

Kind mit Tablet
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Smartphones, Messenger, YouTube, Online-Gaming – für viele Kinder und die meisten Jugendlichen ist das Internet bereits ganz selbstverständlich Teil des Alltags. Eltern stellt dies oft vor große Herausforderungen: Einerseits wollen sie ihre Kinder bestmöglich schützen, andererseits ist Zugang zum und reflektierter Umgang mit dem Internet schlicht etwas, was Kinder erlernen müssen. Wie also können Kinder (und Jugendliche) sicher und selbstbestimmt online unterwegs sein? Die Antwort auf diese Frage ist, wenig überraschend, etwas komplexer – und beginnt für viele vielleicht mit einem grundlegenden Umdenken: Es geht nicht um Kontrolle und Überwachung, sondern um Begleitung und Vertrauen.

Digitale Kindheit im 21. Jahrhundert

Wir ersparen uns jetzt das totgerittene Pferd der „Chancen und Risiken“, aber es ist wohl den meisten grob bekannt, dass die digitale Welt unserer Zeit enorm viele Möglichkeiten eröffnet (Zugang zu Informationen, Möglichkeiten zur kreativen Betätigung, Austausch und Knüpfung sozialer Kontakte quer über den Globus, …), aber dennoch auch seine Schattenseiten mit sich bringt – von für Kinder oder Jugendliche ungeeigneten Inhalten über Betrugsfallen, Scams und sogenannten „Free-to-play“-Spielen (die oftmals dann in der Praxis gar nicht so „free“ sind wie behauptet, ganz abgesehen von der zweifelhaften spielerischen Qualität, aber das nur am Rande) bis hin zu Hate Speech oder digitalem Mobbing. Dazu kommt natürlich auch noch die immer präsente Frage des Datenschutzes (auch für viele Erwachsene ist ja alles andere als offensichtlich, welche Dienste welche Art von Informationen über uns sammeln und Nutzer:innen-Profile erstellen) und des Umgangs mit persönlichen Daten und Bildern (das Internet vergisst nicht, auch das ist längst noch nicht allen bewusst).

Was tun?

Viele Eltern haben vor diesem Hintergrund verständlicherweise das Gefühl (und auch das Bedürfnis), alles richtig machen zu wollen. Es tun sich Fragen auf wie:

  • Ab welchem Alter soll ich mein Kind überhaupt ins Internet lassen?
  • Wie lange, womit, unter welchen Rahmenbedingungen?
  • Wie erkenne ich selbst überhaupt problematische Inhalte?
  • Und wie bringe ich meinem Kind bei, sie zu erkennen?
  • Braucht es technische Hilfsmittel, um mein Kind zu schützen?

Wie bei vielen Erziehungsfragen gilt auch hier: Es gibt keinen perfekten Weg, aber viele gute Möglichkeiten und Optionen – und die Antworten sind sicherlich nicht für jede Familie dieselben. Wichtig ist vor allem, mit dem Kind über seine Erfahrungen in der digitalen Welt zu sprechen, ehrliches Interesse zu haben (oder solches zu entwickeln) und dieses auch dem Kind zu vermitteln, und gemeinsame Regeln zu finden. Der größte Sicherheitsfaktor für Internetnutzung durch Kinder ist ein gutes, vertrauensvolles Verhältnis zu ihren Erwachsenen.

Technische Hilfsmittel (wie Filter, Bildschirmzeit-Einstellungen oder sogenannte Kindersicherungs-Apps) sind eine der ersten Maßnahmen, an die viele Eltern denken. Sie können auch durchaus dabei helfen, sind aber auf jeden Fall kein Ersatz für Aufmerksamkeit, Vertrauen und bewusste Begleitung.

Kindersicherungs-Apps: Zu Risiken und Nebenwirkungen lesen Sie die kritische Forschung

Viele Eltern greifen zu Kindersicherungs-Apps um Inhalte filtern, Zeitlimits setzen, die Nutzung gewisser Apps einschränken oder den Standort ihres Kindes einsehen zu können. Solche Apps versprechen oft Sicherheit und Kontrolle, sie bringen aber selbst wiederum eigene Probleme mit sich. Viele der dafür benötigten Funktionalitäten gehen über das hinaus, was seitens des Betriebssystems aus Sicherheitsgründen vorgesehen oder zulässig ist; Apps mit weitreichenden Fähigkeiten zur Kontrolle eines Kinder-Smartphones sind daher oft nicht über den offiziellen App-Store verfügbar, sondern nur über andere Vertriebswege (solche Apps heißen auch „sideloaded“, weil sie quasi „über die Seite“ auf das Smartphone geladen werden statt über den normalen Weg).

Ein Forschungsteam der Fachhochschule St. Pölten und des University College London hat die beliebtesten Kindersicherungs-Apps für das Betriebssystem Android (sowohl aus dem offiziellen App-Store als auch Sideloaded-Apps) auf Herz und Nieren untersucht. Die Ergebnisse waren ernüchternd: Ein großer Teil dieser Apps verletzt die Privatsphäre oder ist grundlegend unsicher, und bei weitem nicht alle befolgen gängige Safety-by-Design-Prinzipien. So verlangen viele Apps Zugriffsrechte, die sie gar nicht benötigen, erfassen sämtliche Nutzer:innenaktivitäten (wie Tasteneingaben oder die Inhalte von Nachrichten), zeichnen bei gewissen Handlungen oder sogar einfach in regelmäßigen Zeitabständen Selfies auf oder übertragen die erfassten Daten unverschlüsselt über unsichere Kanäle.

Und, am gravierendsten, viele dieser Apps tun dies bewusst heimlich, sodass es für betroffene Kinder oft gar nicht nachvollziehbar ist, dass ihre Aktivitäten überwacht werden. (Dies bringt noch dazu mit sich, dass solche Apps sich auch dazu eignen, als sogenannte „Stalkerware“ zur Überwachung Dritter eingesetzt zu werden – für Details hierzu siehe den verlinkten Artikel.)

Das Vertrauen erhebt die Seele

Gerade dieser letzte Punkt ist die Crux: Natürlich wollen Eltern nur das Beste für ihr Kind. Vertrauen lässt sich aber nicht durch Kontrolle erzwingen – erst recht nicht durch technische Hilfsmittel und intransparente Methoden. Früher oder später kommt die geheime Kontrolle meist ohnedies ans Licht – und kann irreparablen Schaden am Vertrauensverhältnis zu den wichtigsten Bezugspersonen verursachen.

Auch im Falle voller Transparenz ist aber nicht alles im Reinen – Kinder, die sich ständig überwacht fühlen, verlieren nicht nur ihre Privatsphäre, sondern lernen auch nicht, selbstbestimmt mit digitalen Medien umzugehen. Statt Selbstkontrolle und Verantwortung für ihr Handeln zu erlernen, erleben sie Kontrolle als etwas von außen Oktroyiertes – und Überwachung als etwas Alltägliches, was sie einfach hinnehmen müssen. Das ist nicht nur aus pädagogischer, sondern durchaus auch aus politischer Sicht kritisch zu hinterfragen.

All das bedeutet natürlich nicht, dass Kindersicherungs-Apps und andere technische Hilfsmittel ein No-Go sind. Sie sollten aber transparent und mit Maß und Ziel eingesetzt werden – und nicht als Selbstzweck oder gar als „Sicherheitstheater“. Idealerweise werden die Einstellungen (welche Inhalte werden blockiert, welche Apps oder Aktivitäten werden in welchem Ausmaß zeitlich begrenzt, …) gemeinsam mit dem Kind besprochen und festgelegt. Das fördert nicht zuletzt auch die Medienkompetenz der Kinder (und auch der Erwachsenen).

Fazit: Alles für, aber nichts ohne die Kinder

Zusammenfassend lässt sich also sagen: Digitale Sicherheit für Kinder und Jugendliche beginnt nicht bei der Wahl der richtigen Kindersicherungs-App, sondern bei der pädagogischen Haltung und Grundeinstellung. Wer Kinder bei ihren ersten Erkundungen der digitalen Welt(en) begleiten und ihnen Sicherheit geben will, sollte nicht zuerst zu Kontrollmaßnahmen greifen, sondern sich mit ihnen unterhalten:

  • Was braucht das Kind, um sich selbst sicher zu fühlen?
  • Und was brauchen die Erwachsenen?
  • Was und wer kann den Kindern helfen, mit schwierigen Inhalten oder Verhaltensweisen anderer umzugehen bzw. diese überhaupt einmal rechtzeitig zu erkennen?
  • Wie können Kinder und Erwachsene gemeinsam einen selbstbestimmten und reflektierten Umgang mit digitalen Medien fördern?

Denn bei allen Fragen rund um Sicherheit, wirklich sicher ist nur eines: Kinder wachsen heute in einer durchdigitalisierten Welt auf. Den richtigen und sicheren Umgang damit zu erlernen ist tatsächlich alternativlos – und das kann nur gelingen, wenn wir Erwachsene uns auch darauf einlassen, mit ihnen gemeinsam darüber zu sprechen.

Letzte Aktualisierung: 13. August 2025

Für den Inhalt verantwortlich: FH St. Pölten, Institut für IT-Sicherheitsforschung